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Dienstag, 29. März 2016

Geburtsbericht I: Kurz und schmerzlos auf die Welt

Von einer Gastautorin
Das ist, als wenn du plötzlich ins eiskalte, dunkle Wasser geschmissen wirst“, sagen die einen. „Dein Kind leidet später sicher mal an Asthma oder an einer Allergie. Oder an beidem. Und von Anpassungsstörungen nach der Geburt ganz zu schweigen“, sagen die anderen. Schön ist auch die Aussage: „Die Schmerzen sind unerträglich. Du bist wochenlang auf Hilfe angewiesen, weil du dich außerdem kaum bewegen kannst.“
So oder so, die meisten Menschen gucken empört, schütteln verständnislos den Kopf, wenn sie hören, dass eine Frau ihr Kind per Kaiserschnitt (kurz Sectio) auf die Welt bringen will. Freiwillig. Ohne sogenannte medizinische Indikation. Ihre Liste mit Horrorgeschichten und Gründen, die dagegen sprechen, ist lang. Erstaunlicherweise gibt es aber doch recht viele quietschfidele Babys – obwohl in Deutschland die Kaiserschnittrate mehr als 30 Prozent beträgt. Ob Kaiserschnitt-Kinder tatsächlich eher krank sind und insgesamt mehr Nachteile haben, lässt sich trotz Studien nämlich nicht eindeutig nachweisen. Kaiserschnittkinder liegen nach der Geburt wohl öfter kränkelnd auf der Intensivstation. Allerdings: Per Kaiserschnitt werden Kinder in der Regel dann entbunden, wenn sie zu schwach sind für eine natürliche Geburt oder nicht reif genug. Es sollte deshalb nicht verwundern, dass man sich um solche Säuglinge zunächst intensiv kümmern muss.
Ich war eine derjenigen Schwangeren, die sich dazu entschlossen hat, sich den Bauch aufschnippeln zu lassen. Oder besser gesagt: Die sich dagegen entschieden hat, mit hochrotem Kopf ihr Baby aus sich herauszupressen. Die Geburt des ersten Kindes dauere im Schnitt 14 Stunden, berichteten die Ärzte bei den Informationsabenden in den Kliniken. Manche Babys brauchen demnach kürzer, andere länger. Um Himmels willen! Durch den Kopf schossen mir die Reportagen, in denen gebärende Frauen unter Schmerzen wimmern, dass es endlich vorbei sein soll. Dass sie sofort einen Kaiserschnitt wollen. Es fällt mir schwer zu verstehen, warum Frauen sich das antun. Hinzu kommen mögliche Folgen wie lebenslange Inkontinenz. Nein danke! Meine Tochter soll in die Windeln pinkeln, ich bevorzuge weiterhin die Toilette.
Dass mein Kind einmal per Kaiserschnitt zur Welt kommt, stand für mich immer fest. Die Vorstellung einer natürlichen Geburt erscheint mir seit jeher grauenhaft, undenkbar. Keine Ahnung, warum das so ist. Beim Gedanken daran brüllt mein Inneres: Nein! Bloß nicht! Lass das sein! Also habe ich auch in dem Fall auf meinen Körper gehört. Zum Glück stehen viele Krankenhäuser Kaiserschnitten offen gegenüber. Natürlich zählen die Ärzte die Vorteile der natürlichen Geburt und die Nachteile der Sectio auf. Aber sie akzeptieren den Wunsch der Schwangeren, wenn sie ihnen ihre Gründe erklärt. Als meine Ärztin ihren Terminkalender durchblätterte, tauchte recht häufig der Vermerk „Sectio auf Wunsch“ auf. So ungewöhnlich ist sie nicht. Frauen werden wegen ihrer Entscheidung leider allzu oft verurteilt – und schweigen lieber.
Die Geburt meiner Tochter war im Großen und Ganzen ein Spaziergang. Ich hatte kaum Schmerzen und lief am selben Abend wieder durch die Gegend. Was nicht zuletzt daran lag, dass ich mich bewusst für diesen Weg entschieden habe. Als ich aus der Vollnarkose aufgewacht bin, schlummerte die Kleine zufrieden auf meiner Brust. Zugegeben, auf die Erfahrung im Operationsaal hätte ich verzichten können. Da geplante Kaiserschnitte für gewöhnlich mit Spinalanästhesie gemacht werden, bekam ich alles mit: Es war eisig kalt, ich zitterte vor Kälte. Ständig stellten sich neue Ärzte vor, die dann um mich herumwuselten. Bis sie feststellten, dass die Spinalanästhesie nicht anschlug, besprühten sie mich wieder und wieder mit einem Kältespray. „Spüren Sie noch was?“  - „Jaaaaaa. Und meine Beine kann ich auch noch bewegen.“ Schließlich versetzten sie mich in Vollnarkose – und es blieb dem Vater vergönnt, die kleine Maus zuerst im Arm zu halten. Das hat weder mir noch ihr geschadet. Ich wusste, worauf ich mich einlasse, und die Kleine ist viel zu beschäftigt damit, die Welt zu entdecken, als über ihren Geburtsweg zu grübeln.

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