„Das ist, als wenn du plötzlich ins eiskalte, dunkle Wasser geschmissen wirst“, sagen die einen. „Dein Kind leidet später sicher mal an Asthma oder an einer Allergie. Oder an beidem. Und von Anpassungsstörungen nach der Geburt ganz zu schweigen“, sagen die anderen. Schön ist auch die Aussage: „Die Schmerzen sind unerträglich. Du bist wochenlang auf Hilfe angewiesen, weil du dich außerdem kaum bewegen kannst.“
So oder so, die meisten Menschen gucken empört, schütteln
verständnislos den Kopf, wenn sie hören, dass eine Frau ihr Kind per
Kaiserschnitt (kurz Sectio) auf die Welt bringen will. Freiwillig. Ohne
sogenannte medizinische Indikation. Ihre Liste mit Horrorgeschichten und
Gründen, die dagegen sprechen, ist lang. Erstaunlicherweise gibt es aber doch
recht viele quietschfidele Babys – obwohl in Deutschland die Kaiserschnittrate
mehr als 30 Prozent beträgt. Ob Kaiserschnitt-Kinder tatsächlich eher krank
sind und insgesamt mehr Nachteile haben, lässt sich trotz Studien nämlich nicht
eindeutig nachweisen. Kaiserschnittkinder liegen nach der Geburt wohl öfter
kränkelnd auf der Intensivstation. Allerdings: Per Kaiserschnitt werden Kinder
in der Regel dann entbunden, wenn sie zu schwach sind für eine natürliche
Geburt oder nicht reif genug. Es sollte deshalb nicht verwundern, dass man sich
um solche Säuglinge zunächst intensiv kümmern muss.
Ich war eine derjenigen Schwangeren, die sich dazu
entschlossen hat, sich den Bauch aufschnippeln zu lassen. Oder besser gesagt:
Die sich dagegen entschieden hat, mit hochrotem Kopf ihr Baby aus sich
herauszupressen. Die Geburt des ersten Kindes dauere im Schnitt 14 Stunden,
berichteten die Ärzte bei den Informationsabenden in den Kliniken. Manche Babys
brauchen demnach kürzer, andere länger. Um Himmels willen! Durch den Kopf
schossen mir die Reportagen, in denen gebärende Frauen unter Schmerzen wimmern,
dass es endlich vorbei sein soll. Dass sie sofort einen Kaiserschnitt wollen.
Es fällt mir schwer zu verstehen, warum Frauen sich das antun. Hinzu kommen
mögliche Folgen wie lebenslange Inkontinenz. Nein danke! Meine Tochter soll in
die Windeln pinkeln, ich bevorzuge weiterhin die Toilette.
Dass mein Kind einmal per Kaiserschnitt zur Welt kommt,
stand für mich immer fest. Die Vorstellung einer natürlichen Geburt erscheint
mir seit jeher grauenhaft, undenkbar. Keine Ahnung, warum das so ist. Beim
Gedanken daran brüllt mein Inneres: Nein! Bloß nicht! Lass das sein! Also habe
ich auch in dem Fall auf meinen Körper gehört. Zum Glück stehen viele Krankenhäuser
Kaiserschnitten offen gegenüber. Natürlich zählen die Ärzte die Vorteile der
natürlichen Geburt und die Nachteile der Sectio auf. Aber sie akzeptieren den
Wunsch der Schwangeren, wenn sie ihnen ihre Gründe erklärt. Als meine Ärztin
ihren Terminkalender durchblätterte, tauchte recht häufig der Vermerk „Sectio
auf Wunsch“ auf. So ungewöhnlich ist sie nicht. Frauen werden wegen ihrer
Entscheidung leider allzu oft verurteilt – und schweigen lieber.
Die Geburt meiner Tochter war im Großen und Ganzen ein Spaziergang.
Ich hatte kaum Schmerzen und lief am selben Abend wieder durch die Gegend. Was
nicht zuletzt daran lag, dass ich mich bewusst für diesen Weg entschieden habe.
Als ich aus der Vollnarkose aufgewacht bin, schlummerte die Kleine zufrieden
auf meiner Brust. Zugegeben, auf die Erfahrung im Operationsaal hätte ich
verzichten können. Da geplante Kaiserschnitte für gewöhnlich mit
Spinalanästhesie gemacht werden, bekam ich alles mit: Es war eisig kalt, ich
zitterte vor Kälte. Ständig stellten sich neue Ärzte vor, die dann um mich
herumwuselten. Bis sie feststellten, dass die Spinalanästhesie nicht anschlug,
besprühten sie mich wieder und wieder mit einem Kältespray. „Spüren Sie noch
was?“ - „Jaaaaaa. Und meine Beine kann
ich auch noch bewegen.“ Schließlich versetzten sie mich in Vollnarkose – und es
blieb dem Vater vergönnt, die kleine Maus zuerst im Arm zu halten. Das hat
weder mir noch ihr geschadet. Ich wusste, worauf ich mich einlasse, und die
Kleine ist viel zu beschäftigt damit, die Welt zu entdecken, als über ihren
Geburtsweg zu grübeln.