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Mittwoch, 24. Februar 2016

Wir haben Blähungen

Sind wir Eltern doch mal ehrlich, es dreht sich alles nur noch ums Kind. Am abendlichen Tisch wird darüber geredet, wie voll die Windel war, wie gut der Nachwuchs tagsüber geschlafen hat oder ob er oder sie ein anderes Kind geärgert hat. Kommen kinderlose Paare zu Besuch, kann das für diese schnell in Kinderstress ausarten. Es ist ja nicht nur so, dass es beispielsweise bei unserem Kind mit dem Brei nicht funktioniert hat und wir dieses Thema einfach unter den Tisch haben fallen lassen. Das Kind möchte aber trotzdem vom Tisch mitnaschen, nur Stillen alleine ist dem Spross dann doch zu langweilig. Also wird mit ganz viel Hingabe eine Brezel zermatscht oder jegliches Gemüse in seine Bestandteile zerlegt. Bei Karottenscheiben stellt der Junior dann fest, wie witzig es ist, wenn man diese einfach schnell in den Mund hinein- und wieder herausflutschen lässt. Das sieht drollig aus, macht aber nicht satt. Zurück zum Abendbrottisch. Eine Flasche Wein wird geöffnet und man unterhält sich mit dem Besuch über alles mögliche. Politik zum Beispiel. Dann spontaner Themawechsel - denn das Baby möchte bespaßt werden. Ausgerüstet mit Rassel oder Klingelball wird den Aufforderungen Folge geleistet und erzählt, dass der Nachwuchs fast schon Schlagzeug mit seinem Spielzeug spielen kann. Aber wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, Politik. Oder doch in längst vergangenen Zeiten. Weißt du noch, damals auf dem Festival? Ups, das Kind hat eine volle Windel. Ja, es sind einige Pampers, die pro Tag draufgehen. Was die Windeln momentan so kosten? Teuer ist es, sehr teuer. Wir nehmen nur eine bestimmte Marke. Da fällt mir ein, weißt du noch, damals bei Rock am Ring? Oh ja, das waren lustige Zeiten als wir so bei Wind und Wetter gezeltet haben. Ach, der Papa ist mit dem frisch gewickelten Kind zurück. Voll bis obenhin sagt, sein Blick. Unser Besuch guckt etwas pikiert. Ja, das ging hoch bis zum Nacken, führt der Papa die Sache weiter aus. Aber wir wollen uns ja nicht weiter über Windelinhalte unterhalten. Der Nachwuchs ist zufrieden und spielt mit seinem Holzauto. Ob er immer so friedlich ist, möchte unser Besuch wissen. Natürlich, geben wir mit den Fähigkeiten unseres Sohnes an. Wobei die ersten Wochen doch sehr hart waren. Wir hatten Blähungen, berichten wir. Wir?Oh, Entschuldigung, als stolze Eltern vergisst man manchmal, dass man doch auch ein einzelnes Individuum ist. Und schon sind wir wieder bei den Windelinhalten, bei Pampersgrößen und wie soll es denn anders sein - beim Kind. Der nächste Versuch eines Themawechsels gelingt - wir diskutieren über aktuelle Kinofilme. Ja, ins Kino möchten wir auch mal wieder. Aber wir brauchen ja immer einen Babysitter. Oh, schon wieder Themawechsel. Wer denn so alles bei uns babysittet? Die und die und die, zählen wir auf. Jetzt endlich klappt es mit dem Themawechsel. Wir beginnen über einstige Pärchen, frühere Freunde und und und herzuziehen. Fröhliches Geläster ist die Folge. Seitdem die Nachwuchs haben, kennen die nur noch ein Thema, beklagen wir uns. Nämlich das eigene Kind. Früher konnte man einen schönen Abend miteinander verbringen und auch über andere Themen diskutieren. Jetzt dreht sich alles ums Baby, beklagt sich mein Mann. Zum Glück ist das bei uns nicht so, pflichte ich ihm bei und versuche gleichzeitig, dem Sprössling die abendliche Portion Milchbar zu verabreichen. Dann geht unser ganzer Stolz nämlich ins Bett. Und wir Erwachsenen sind endlich unter uns. Endlich? Nach zehn Minuten geht das Babyphon los. Ob das immer so ist, möchte unser Besuch wissen. Ja, manchmal, geben wir zu. Aber sonst ist es ein ganz tolles Kind. Es kann nämlich schon dies und das und überhaupt.
Als sich unser Besuch irgendwann verabschiedet, klopfen wir uns gegenseitig auf die Schulter. Bei uns dreht sich nämlich nicht alles ums Kind. Wir haben auch andere Gesprächsthemen... Ganz sicher!

Montag, 15. Februar 2016

Ein Babypuzzle

Liebe Mama, lieber Papa, liebe Verwandte, liebe Freunde von Mama und Papa,
Ich freue mich wirklich, dass ihr so viel für mich tut. Und dass ihr mich genauso glücklich macht wie ich euch. Ein bisschen was muss ich euch aber auf den Weg geben. Es ist wirklich hochspannend zu hören, wie ich aussehe. Oder wie ich mich verändere. Ich gebe zu, ich verändere mich noch viel. Als ich auf die Welt kam, hatte ich wirklich viel Ähnlichkeit mit einem zerknüllten Stück Papier. Aber natürlich, die Hautfarbe, die kam von Papas Seite. Nämlich etwas dunkel. Meiner Meinung nach war das nur Schmutz. Schließlich wurde ich zwar gezeugt, aber neun Monate lang nicht gebadet. Ihr wascht euch doch täglich, oder? Da kann es doch gut sein, dass sich unter meinem Teint doch Mamas vornehme Blässe verbirgt, wenn ich nach langem Warten endlich in die Wanne darf. Von Mama habe ich angeblich auch das Kinn und die Nase. Ja, was hat sie dann an den Stellen? Löcher? Seltsam. Ich finde, Mama sieht noch ganz normal aus. Und ganz klar, die Augenpartie war mal die von Opa. Aber der ist doch so viel älter als ich. Ich bin doch noch so klein. Und nicht faltig? Oder doch? Meine Augen habe ich mal von der Uroma, mal von Mamas Bruder, mal von Papas Bruder. Einigt euch mal bitte auf etwas. Wahrscheinlich bin ich ein einziges großes Puzzle. Papas Augenpartie, Mamas dicke Schenkel (die hatte sie als Baby auch. Meine Oma befürchtete daher, Mama kriegt nie einen Mann. Pustekuchen!)... so gehen die Vergleiche weiter. Wahrscheinlich habe ich Tante Ernas Augenbrauen, Onkel Kurts Wimpern, den Bierbauch vom entfernten Schwippschwager der Cousine eines angeheirateten Onkels, die Ohren von Dumbo und den Humor von meiner Uroma aus Norddeutschland. Also so eine Art 1000-Teile-Puzzle, bei dem etwas fehlt. Nämlich das Quentchen "Ich bin ich".
Es grüßt euch ganz lieb,
Euer Kind

Montag, 8. Februar 2016

Popcornabend

Ich habe große Lust auf Popcorn. Mal wieder einen richtig tollen Frauenabend, mit Popcorn, Cola und jede Menge anderen Süßkram. Ich bereite sorgfältig alles vor, mache salziges und süßes Popcorn, stelle die Cola kalt und fülle Gummibärchen und Chips in kleine Schälchen. Dann kann es endlich losgehen. Ich klappe den Laptop auf und besuche eine Internetseite. Hier kann der Spaß beginnen. Die gesuchte Seite öffnet sich, irgendwas mit Muddis. Es ist ein Forum. Genüsslich greife ich ins Popcorn und verfasse den ersten Eintrag: "Mein Kind möchte alle zwei Stunden an die Brust. Reicht meine Milch nicht aus." Mit einem Grinsen lehne ich mich zurück. Die Antworten lassen nicht lange auf sich warten. Muddi 1 schreibt, dass ich unbedingt zufüttern soll. Sie empfiehlt die und die Flaschennahrung. Denn es könne durchaus sein, dass ich nicht genug Milch habe. Deshalb braucht mein Kind auf jeden Fall die Flasche. Muddi 2 lässt nicht lange auf sich warten. Man hat immer genug Milch, es gibt nur Kinder, die öfter gestillt werden müssen. Ich sehe, die Sache läuft und schicke mal ein "Soll ich nicht lieber abstillen?" hinterher. Jetzt endlich beginnt auch der Shitstorm. "Ich weiß, dass mein Baby satt wird und die Nachfrage bestimmt das Angebot. Stillen ist die beste Gesundheitsvorsorge, die man seinen Kindern mit auf den Weg geben kann." Jetzt mischt sich Muddi 3 ein. "Mir ist das zu stressig, ich habe mir im Krankenhaus gleich eine Tablette zum Abstillen geben lassen." Muddi 2 geht prompt an die Decke. Muddi 3 ist eine Rabenmutter, sie verweigere ihrem Kind das natürlichste, was es gibt. Ich mache mir ein alkoholfreies Hefeweizen auf und greife in die Schale mit Gummibärchen. "Stimmt es, dass zu lang gestillte Babys zu anhänglich und verwöhnt sind?", werfe ich in die Diskussionsrunde. Muddi 3 schreibt sofort, dass man dem Kind früh seine Grenzen aufzeigen muss. Sonst verweichlicht es. Oh, ich sehe, die Sache nimmt ihren Lauf. Stillmafia, unsensible Mutter - die Beschimpfungen im Forum nehmen zu. Popcorn gefällig? Gleichzeitig stelle ich in einem anderen Forum die Frage, gegen was man eigentlich alles impfen soll. Im Stillstreit nimmt die Sache Fahrt auf. Den kriegst du nie von der Brust, wird Muddi 2 vorgeworfen. Ob er denn wenigstens alleine schlafe? Nein, im Familienbett natürlich. Das sei herrlich und für alle sehr entspannt. "Dein Kind verweichlicht!", kommt der nächste Vorwurf. Oh, Gummibärchen alle, ich steige um auf Chips. Ja, so ein Abend mit Frauen ist durchaus kalorienintensiv. Was machen eigentlich die Impfungen? Muddi A beschreibt, dass sie gehört hat, dass das Kind der Cousine eines entfernten Verwandten ihres Halbbruders Schäden davon getragen habe. Oh, was denn für welche? Sie weiß es nicht genau. Ich empfehle ihr, doch mal nachzuprüfen, ob das Kind vielleicht voll oder nicht oder sonstiges gestillt wurde. Und zack, habe ich die beiden Diskussionsbeiträge auf einen Nenner gebracht. Impfgegner schießen gegen Befürworter, Stillmuddis fühlen sich von Flaschenmuddis auf den Schlips getreten. Knurps, der letzte Chipskrümel ist weg. Noch ein alkoholfreies Bierchen zum Nachspülen? An euch Flaschenmuddis wurde bei der Beratung versagt, schreibt eine Muddi. "Wenn ihr nicht impft, verhaltet ihr euch fahrlässig!", poltert Muddi B. Oh, es wird unübersichtlich. Herrlich, wie in einem schlechten Actionfilm. Alle bekriegen sich und zum Schluss bekommt doch der Held die Frau. Ach nee, falsches Thema. Ich lehne mich wieder zurück und genieße mein Bierchen. Im Forum wird mit harten Bandagen gekämpft. Stillhütchen fliegen, Nuckis werden zurückgeworfen, eine ballert sogar mit Impfpässen. Ich gähne. Ein kurzer Blick auf die Uhr - Zeit fürs Bett. Noch ein letztes Stück Schokolade und dann husch ins Familienbett. Morgen frage ich danach, wann ich meiner Tochter Ohrringe stechen soll. Oder ob eine kleine Tätowierung besser ist...