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Dienstag, 13. Oktober 2015

Vom Laufstall in die weite Welt

Kinder sind der Reichtum unserer Gesellschaft, ein Kinderlachen kann sämtliche Sorgen vergessen lassen, eine neue Fähigkeit und schwupps glaubt man, dass ein neuer Einstein geboren ist. Ist man mit Kind unterwegs, ist man jedoch oft auf Hilfe angewiesen. Schließlich reisen nicht nur der Spommerspross, sondern auch Kinderwagen, Pampers und Spielzeug mit. Egal wohin, ob es nur der Besuch bei Oma und Opa ist oder ein einwöchiger Urlaub. Unterschiede sind jedoch zu erkennen - was nämlich Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft angeht. Im Flugzeug erhält der Sommerspross bei der einen Fluggesellschaft ein Kissen. Somit ist es nicht ganz so ungemütlich - mal abgesehen davon, dass mir der Arm trotzdem fast einschläft. Bei der anderen Fluggesellschaft gibt es ein Malbuch (bekommt er dann, sobald er einen Kuli halten kann. Vorher vergnügen wir uns damit) sowie die Frage, ob er Babynahrung benötigt. Gravierender ist der Unterschied zwischen Ländern. Im Urlaub waren sahen wir stets so aus, als würden wir eine kleine Weltreise machen. Über und über beladen mit Sachen, die das Kind braucht. In der Türkei kein Problem. Wir konnten gar nicht so schnell gucken, wie uns geholfen wurde. Meine Aufgabe war es lediglich, das Kind zu tragen. Kinderwagen und Rucksack wurden wie von Zauberhand Treppen hoch- und runterbefördert. Noch ein schönes Erlebnis: im Restaurant sahen die Kellner "Oh, Familie mit Baby". Sekundenschnell wurde Platz für den Kinderwagen geschaffen und mein Weinglas abgeräumt. Die Mutti braucht zum Stillen ja keinen Wein, sondern Wasser. Wahnsinnig viel Aufmerksamkeit und Rücksicht. Die Organisatoren der Reisegruppe sagten uns vor der Reise, dass wir ja doch sehr mutig seien, mit so einem kleinen Kind zu fliegen. Vor Ort lief aber alles tiptop. Nicht nur, dass unser Nachwuchs ein Musterbaby war, nein, man zeigte uns, dass wir willkommen waren. "Trag du dein Kind", sagte mir einer als wir zum Anschlussflug in Istanbul hasteten. "Ich mach den Rest." Der Flug hatte Verspätung, vollkommen überladen rannten wir durch den Flughafen. Den Sommerspross juckte das nicht, er schlief tief und fest. Man nahm uns Rucksäcke ab, schaute nach uns, traumhaft. Oder am Urlaubsort: einen Abend ging es zum Genießeressen nach Bodrum, mit Shuttlebussen konnte man zurückfahren. Gegen halb elf wollten wir das Angebot auch wahrnehmen, unser Vorzeigebaby schlief zwar seit Stunden, aber es war doch Zeit, dass er einfach in Ruhe im Bett schlafen sollte. Knaller: Wir erhielten einen eigenen Bus. Mein Göttergatte und ich hatten echt ein schlechtes Gewissen wegen dieser Extrawurst. Aber nein: man sagte uns, dass es wegen des Babys kein Problem sei. Sicher ist es mutig, ein so kleines Baby überall mit hinzunehmen. Aber sollen wir es einsperren, bis es alt genug ist, an allem teilzunehmen? Was ist alt genug? Wenn man merkt, dass das Kind gestresst wirkt, ok, dann sind wir im Urlaub immer gegangen. So konnte der Sommerspross aber dabei sein, die Welt kennenlernen, in der wir leben. Verliebt hat er sich auch - in einen Olivenbaum. Unter dem lag er stundenlang, freute sich an der Meeresluft und dem guten Klima, das Bäume verbreiten.



In Ruhe Stillen war auch kein Problem - in der Shisha-Lounge war tagsüber nichts los :)
Tja, und dann das Gegenbeispiel: In Deutschland wieder angekommen, benötigten wir ein Taxi. Zwei Koffer, ein Kinderwagen, eine Kameratasche, Maxi-Cosi, zwei Rucksäcke - zuviel! Ungefähr 20 Taxifahrer winkten entsetzt ab. Wir gehen mal davon aus, dass sie noch nie Tetris gespielt haben oder wissen, dass man einen Kinderwagen auf die Größe einer Briefmarke zusammenfalten kann. Ein weiterer Vergleich: die Organisatoren hatten ja Bedenken, überließen die Entscheidung aber uns und sahen, dass man mit einem Baby doch alles machen kann. Geheimrezept: man muss entspannt sein. Immer ein bisschen mehr Zeit einplanen, um pünktlich zu sein. Auch mal auf die Party am Abend verzichten, mit einem Buch auf dem Hotelzimmer liegen und ein zufriedenes Baby beim schlafen betrachten. Und noch eine weitere persönliche Erfahrung: manch einer sagt ja immer "Bringt euer Baby mit". Dass wir das tun, das glauben die wenigsten. Möchte man es dann doch, kommen Zweifel der anderen auf. Es könnte ja jemanden stören. "Nee, lasst es lieber." Ja, denn ein Baby verursacht Lärm und man kann nicht immer perfekt planen. Lässt man sich aber einfach auf die Bedürfnisse des Babys ein, zeigt ihm die Welt und das Leben - hat man ein glückliches Kind. Vielleicht sind wir Rabeneltern, weil der Sommerspross schon auf zwei Hochzeiten war, im Flugzeug saß - aber er weiß, dass die Welt aus mehr besteht als einem Laufstall.

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