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Mittwoch, 7. September 2016

Bauch, Beine, Nutella

Ein gutes Dreivierteljahr habe ich den Sommerspross zweimal pro Woche in der Babytrage geschunkelt, habe getanzt, den Beckenboden angespannt und mich ein wenig der Vorschwangerschaftsfigur genähert. Aber nicht mein mangelndes Taktgefühl oder die Unfähigkeit zu tanzen (wäre ja naheliegend) haben dem Ganzen ein Ende bereitet, sondern das zunehmende Gewicht des Sommersprosses. Schon mal versucht, gute elf Kilo eine Stunde lang zu tragen und sich dabei zu bewegen? Also hatte die Ära ein Ende. Und ich war wieder in Gefahr, aufgrund von schlaflosen Nächten, bösen Zähnen und daraus folgendem Frustessen (warum hat diese Seite nur das schöne Wort Nutella im Namen...) ein kleines Biotönnchen zu werden. Eine Lösung musste her. Das Gehopse auf dem Feldweg ist ja ganz nett, Buggyschieben und dabei Bewegung haben, Kind ist an der frischen Luft - alles prima. Aber nach sechs Kilometern ist Schicht. Eine überdimensionale Geschwindigkeit erreicht man auch nicht. Zitat eines mitlaufenden Freundes: "Wenn ich gehe, komme ich gut mit euch mit." Aus Frust schmierte ich mir hinterher gleich wieder ein Nutellabrot. Und Pfannkuchen mit Nutella zum Abendessen. Pah! Die Rettung nahte, da mein Schwager mir einen Tipp gab: "Im Fitnessstudio, in dem ich bin, gibt es Kinderbetreuung." Ok, Termin vereinbart und hingefahren. Der Sommerspross wurde während des Gesprächs in der Kinderbetreuung geparkt, um mal zu schnuppern. Während ich mich auf Fragen zu meiner Fitness konzentrierte, hing ich gedanklich die ganze Zeit beim Spross. Ist ja nicht so, dass er sich von den wenigsten Personen sitten lässt. Am liebsten bei Mama auf dem Arm, Papa geht in Härtefällen auch, eventuell noch Oma und Tanten und alles andere ist gerne mal Gebrüll. Beste Voraussetzungen! Aber Bewegung muss sein, zwischen Duplosteinen aufeinander stapeln und Bobbycarfahren muss es doch mal eine Alternative geben. Nein, kein Windelweitwurf. Richtiger Sport, Bewegung. Ohne Kind. Ja, ich bin eine egoistische Ziege. Das gebe ich offen zu. Also ging es los, drei Monate Probetraining im Studio. Jedes Mal, wenn ich das Gebäude betrete, könnte man meinen, ich wolle dort einziehen: Eine Sporttasche mit Handtüchern und Wechselkleidung (DRINGEND notwendig hinterher), Rucksack mit Windeln, Feuchttüchern, Kleenex, Ersatzkleidung, Vesper, Wasserflasche und natürlich meine Handtasche, gefüllt mit den kleinen Dingen des Lebens, die man als Frau so braucht... Während ich mir dann beim Ganzkörpertraining vermutlich jede Fettzelle des Körpers abtrainiere und versuche, ramponierte Körperstellen (Schulter: vom Tragen. Rücken: vom Tragen. Bauch: Nutella lässt grüßen) in Form zu bringen, geht mein Sommerspross spielen. Das ist dann Aufgabenteilung: Wir haben beide auf verschiedene Art und Weise Spaß. Eine Tagesmutter kümmert sich um die Zwerge, geduldig (geduldiger als wir gestressten Muddis) und mit ganz viel Freude. Dazu kommt: Wie alle Eltern wissen, ist das eigene Spielzeug zuhause stinklangweilig. Viel spannender sind die Autos in der Kinderbetreuung. Und man glaubt es kaum, der Sommerspross fühlt sich rundum wohl. Was passiert dort mit meinem Kind? Nach einigen Wochen bringe ich in dort nur noch hin, er wetzt (ok, wackelt mit seinem Pampershintern) los, stürzt sich auf eine Art Elefantenauto, Bobbycar, Matchboxautos und vergisst dabei vollkommen, dass er eigentlich fremdelt und Umgebungen ohne Mama doof sind. Ganz doof. Nochmal eine Runde an die Milchbar? Nein Mama, ich muss jetzt spielen! Sonst holst du mich gleich wieder ab. Während des Trainings schaue ich ab und zu zur Glastür. Sollte der Sommerspross quengeln, werde ich aus dem Kurs geholt. Muss eine Figur aus Pappmaché in Mamaoptik aufgebaut werden? Nein, der Sommerspross, der selten von meiner eite weicht, benimmt sich. Nur kurz fällt es ihm immer ein, dass ich doch noch zu etwas gut bin, wenn ich völlig ausgepowert nach dem Training zu ihm komme. Eine Runde Schmusen, kurz andocken an der Milchbar und weg ist er wieder. Ähm, hallo, Kind??? Wir fahren nach Hause. Fröhlich winkt er mir zu. "Ja, WIR." Er winkt wieder. Ja, Tschüss Mama, ich habe hier Spaß. Es ist nicht so langweilig wie zuhause. Als ich ihn endlich auf dem Arm habe, quasselt er los. Rabbelsabbel, brabbel. Äh ja, er erlebt wirklich viel. Sein Vesper wird jedes Mal geteilt, denn er versteht sich mit einem anderen kleinen Jungen blendend. Sie teilen alles, Träubchen, Melone, Reiswaffeln und selbstverständlich ihre Wasserflaschen. Ich nehme an, dass unser Wasser anders ist als das des anderen kleinen Jungen. Sonst würden sie bestimmt nicht so fröhlich miteinander teilen... Wenn wir dann (beladen mit Kind, Rucksack, Sporttasche und Handtasche) aus dem Studio wieder ausziehen, knickt der kleine Mann auf meinem Arm fast weg. Er scheint auch ausgepowert zu sein. Prima! Nach effektivem Training spüre ich kaum noch meine Beine, schleppe uns beide aber noch zum Auto. Zwei Minuten später pennt ein glücklicher Sommerspross, und ich perfekt trainiertes Wesen fahre nach Hause. Essen! Ich habe mir jetzt was zu Essen verdient. Nein, keine Nutella - erst morgen wieder. Zum Frühstück.

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