Diagnose Schwangerschaftsdiabetes – klasse, denkt sich da jede Frau und macht sich natürlich sofort Sorgen um das Kind. Es besteht die Gefahr, dass die Kinder bei Schwangerschaftsdiabetes der Mutter das Insulin für diese mitproduzieren müssen. Das Kind wächst daraufhin viel schneller als üblich – nur die Organe haben nicht dasselbe Wachstum. Also alles Faktoren, die man als werdende Mutter selbstverständlich vermeiden möchte. Spaßen sollte man damit nicht, eine Freundin von mir hatte wirklich Schwangerschaftsdiabetes, ein Freund von mir ist Diabetes Typ II. Aber manchmal lohnt es sich auch, zu hinterfragen.
Zwischen dem sechsten und siebten Monat hieß es auch bei mir
„Zuckertest“ machen. Die freundliche Arzthelferin versuchte gleich, mir den
großen Zuckertest aufzuschwatzen. Denn es gibt natürlich Unterschiede.
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Der kleine Zuckertest wird nicht nüchtern
durchgeführt. Die Schwangere trinkt eine Flüssigkeit mit 50g Glukose. Nach
einer Stunde wird Blut abgenommen und der Blutzuckerwert gemessen. Das zahlt
die Krankenkasse.
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Beim großen Zuckertest muss man nüchtern
erscheinen. Insgesamt wird dreimal Blut abgenommen. Zuerst nüchtern. Dann
trinkt die Schwangere eine Flüssigkeit mit 75g Glukose. Nach einer Stunde und
nach zwei Stunden wird jeweils nochmals Blut abgenommen. Das zahlt die
Krankenkasse nur, wenn der kleine Test vorher schon auffällig war. Macht man
den großen Test gleich, zahlt man selbst…
Soviel zur Theorie… Ich sagte der Arzthelferin, dass ich nur
den kleinen Zuckertest mache. Sie: „Falls die Werte auffällig sind, müssen Sie
den großen aber trotzdem machen.“ Ja, und? Dann ist es eben so. Ein Verdacht
auf Gestationsdiabetes bestand bei mir ja nicht. Die Zuckerlösung war
widerlich, knallgelb und schmeckte nicht wie leckere Limonade. Augen zu und
durch…
Randbemerkung: In diesem Zeitraum hatte ich wahnsinnig viel
Stress. Wir wollten umziehen, rücksichtslose Menschen hackten auf der
Schwangerschaft rum und ich kam nicht wirklich zur Ruhe. Später erfuhr ich,
dass das den Blutzuckerwert in die Höhe schnellen ließ. Aber weiter im Text.
Nach einer Woche erhielt ich abends gegen kurz vor 20 Uhr
einen Anruf aus der Frauenarztpraxis. Das Ergebnis des Glukosetoleranztests
besagte, dass der Wert leicht erhöht sei. So die Information der Arzthelferin.
Ich solle doch bitte am darauffolgenden Tag morgens um acht Uhr kommen und den
großen Zuckertest machen. Die Bedingungen: 12 Stunden lang nichts essen, nichts
trinken. Auch kein Wasser. Klasse, dachte ich mir, aber ich hielt mich dran. Zwei
Wochen später erfuhr ich übrigens, dass man Wasser trinken darf.
Mit jeder Menge Durst erschien ich dann am nächsten Morgen
in der Praxis. Blut abnehmen lassen, Zuckerwasser trinken (schmeckte zum Glück
nach dem Eisensaft, den man in der Apotheke bekommt), warten. Glücklicherweise
sind im Wartezimmer in der Regel jede Menge Zeitschriften. Während ich mich
also darüber informierte, was denn die Schönen und Reichen dieser Welt gerade
anstellen, ging die Zeit wenigstens ein bisschen rum. Wer ist schwanger bei den
Königlichen? Wann kommt das Baby? Wer hat wen betrogen – seichte Lektüre, die
wenigstens nicht anstrengend ist. Dazu kommt der Plausch im Wartezimmer. An
diesem Morgen schienen einige Schwangere anwesend zu sein. Man verglich also,
wer wie weit schon ist, wird es ein Junge oder Mädchen, wie viel hat die andere
schon zugenommen, oh, Sie haben es aber gut, gibt es schon weitere Geschwister,…
alles hochspannend. Nach einer Stunde dann die Flucht ins Labor. Blut abnehmen.
Dann das Spielchen wieder von vorne. Schwangerentalk, Promiklatsch,… Wieder
eine Stunde später nochmals Blut abnehmen. Ärzte scheinen Vampire zu sein. Dann
endlich nach Hause.
Einige Tage später wieder so ein netter Anruf aus der
Praxis. Der Nüchternwert des Zuckertests ist leicht erhöht, teilte mir die
kompetente Sprechstundenhilfe am Telefon mit. Ich solle doch bitte
vorbeikommen, eine Überweisung zum Diabetologen abholen und mit ihm über eine
Ernährungsumstellung nachdenken. Die Frage, die mir durch den Kopf schoss:
Warum empfiehlt mir die Sprechstundenhilfe eine Ernährungsumstellung? Sie weiß
doch gar nicht, was ich esse und wie ich lebe? Oder waren wir in einem früheren
Leben schon einmal befreundet und sie kennt mich? Bin dennoch brav hingedackelt
und habe meine Überweisung abgeholt. Nicht ohne erneut den Hinweis der freundlichen
jungen Dame zu erhalten, dass ich mich mit dem Diabetologen über eine
Ernährungsumstellung unterhalten sollte. Ich hielt Rücksprache mit einer
Hebamme. Die versicherte mir, dass ich kerngesund bin – kein Diabetes habe.
Und da ich selbst von meiner Gesundheit überzeugt war, weigerte
ich mich. Bis zum nächsten Besuch bei meiner Ärztin – da hatte ich dummerweise
Zucker im Urin. Also ließ ich mich breitschlagen und verabredete einen Termin
beim Diabetiker. Zwei Tage später rollte ich dort an. Merke: Zeit mitbringen! Als
erstes gab es ein 45-minütiges Gespräch mit der Ernährungsberaterin. Spannend
*gähn* Sie schrieb sich genau auf, was ich so esse und trinke: Vegetarierin,
Obst, Joghurt, Wasser, Kaffee, Tee – ab und zu Süßkram. Klingt eindeutig nach einem
Fall für Schwangerschaftsdiabetes. Die Beraterin meinte dann, es könnte sein,
dass ich wegen des Nüchternwertes abends eine kleine Dosis Insulin spritzen
müsse. Auf jeden Fall gab sie mir ein Blutzuckermessgerät mit. Sie hackte noch
ein wenig darauf rum, dass mein Baby von der Entwicklung zwei Wochen hinterher
sei – und erst in der 29. Woche, nicht in der 31. Woche. Drama. Dann klärte sie
mich noch darüber auf, dass die Beratung ja so teuer ist und die Krankenkasse
das aber zahlt und blablablabla… Ich schaltete auf Durchzug. Danach ab ins
Wartezimmer, bis ich wieder aufgerufen wurde. Der Höhepunkt des Tages nahte,
ich sollte mit einem leibhaftigen Diabetikerarzt sprechen. Es folgte der
nächste Vortrag über Gefahren von Gestationsdiabetes, Ursachen und so weiter.
Ein Blick auf mich: „ An Ihrer Ernährung kann es nicht liegen.“ Gewichtszunahme
bis dahin – wenig. Ach neee… Dann kamen endlich die interessanten Dinge des
Tages. An meiner Ernährung könnte ein Gestationsdiabetes nicht liegen. Wenn,
dann sei es ein genetischer Defekt. Huch – endlich mal eine neue Information.
Viel spannender war aber auch die Info, dass es durchaus schon vorgekommen sei,
dass Blut, das direkt untersucht wird, einen anderen Wert hat, als Blut, das
erst einige Stunden später im Labor geprüft wird. Wir verblieben dabei, dass
ich eine Woche lange fleißig piekse und messe. Dann solle ich mich melden und
eventuell wird ein weiterer Blutzuckertest gemacht. Meine Ärztin sollte
außerdem einen Brief erhalten, worin das stehen sollte, was wir besprochen
haben. So die Theorie.
Das Ende vom Lied? Meine Ärztin erhilet einen Brief mit „Patientin
hat Schwangerschaftsdiabetes“. Übrige Infos fehlten. Warum? Vielleicht
Alzheimer beim Arzt? Sollte sich mal testen lassen… Ich habe drei Wochen lang
fleißig gepiekst. Meine Werte waren immer top, nie zu hoch. An den Tipp der
kompetenten Sprechstundenhilfe, ich solle doch meine Ernährung umstellen, habe
ich mich nicht gehalten. Denn was sollte ich ändern? Vom ganz normalen Jieper
auf Süßkram abgesehen, esse ich viel Obst und Gemüse und und und. Ich schrieb
die Werte an die Diabetikerpraxis. Bis da mal eine Antwort kam, verging Zeit
ohne Ende. Dann die Empfehlung per Mail: auch wenn die Werte gut seien, solle
ich doch bitte noch einmal zu einem Gespräch kommen. Äh, warum? Ach so, klar…
Pro Besuch verdient der Arzt 100 Euro. Die wollte er sich natürlich nicht
entgehen lassen. Ich schrieb, dass ich nicht komme. Am besagten Tag, an dem ich
die Praxis hätte aufsuchen sollen, klingelte das Telefon. Wo ich denn sei. Ich:
Ich komme nicht, das habe ich Ihnen doch geschrieben. Anmerkung: Das war sogar
zwei Wochen her. Hm, die Mail sei wohl noch nicht gelesen worden.
Auch in den letzten Wochen der Schwangerschaft piekste ich
mich ab und zu. Flogen deshalb ab und zu Fledermäuse ums Haus? Auf der Suche nach
meinem vermeintlichen Zuckerblut? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: die Werte
waren immer gut. Trotzdem stand auf der Einweisung ins Krankenhaus: am
Geburtstermin einleiten. Kommentar der Ärztin: „Sie glauben wohl nicht, dass
wir Sie zehn Tage übertragen lassen.“ Eine Begründung? Fehlanzeige. Hm,
vielleicht weil dann ein Kaiserschnitt möglich wäre und daran wird ja verdient
hoch zehn. Eine Hebamme im Krankenhaus beruhigte mich: „Das können Sie
verweigern.“ Außerdem bestand keine Gefahr für mich und das Baby. Und am 23.
Juli kam ein quietschfideler Sommerspross auf die Welt. Nicht zu schwer, eher ein
zartes Wesen von 2650 Gramm. Im Krankenhaus war auch keine Rede mehr von
Diabetes.
Trotzdem konnte es meine Ärztin nicht lassen und mich bei
der Nachsorge noch einmal auf den Test hinzuweisen. Dass die Werte nur einmal
leicht erhöht waren, das ließ sie mich gar nicht erst sagen. Ausreden lassen,
eine Patientin? Nein, erst recht nicht, wenn diese sich bei anderen Hebammen
informiert hat, viel rund um Gestationsdiabetes las und überhaupt keine hohen
Zuckerwerte mehr hatte. „Der Test zeigt es so.“ Nun gut, gelte ich halt
weiterhin als süß mit niedrigem Blutzucker…. Was ich mir gewünscht hätte: Dass
meine Zweifel in der Schwangerschaft ernst genommen werden und vielleicht
einfach ein neuer Test gemacht wird. Aber Ärzte geben Fehler leider selten zu.
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