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Samstag, 4. Februar 2017

Aus dem Leben eines Sommersprosses Teil III

Mama hat mich wieder auf einen Lehrgang mitgenommen. Anscheinend war ich dort letztes Jahr auch schon. Ganz dunkel erinnere ich mich an das viele glitzernde Blech, auf dem ich immer noch nicht rumtrommeln durfte. Schade! Morgens fing alles mit einem Frühstück an. Das war mir meistens egal, denn ich spielte am Tisch am liebsten mit meinem Traktor. Oder las aus meinen Bilderbüchern vor. Je nachdem, ob mir gerade wieder einer der Erwachsenen (!!!) meinen Traktor geklaut hatte oder nicht. Vor allem die Männer waren da ganz heiß drauf. Haben die als Kind keinen Traktor gehabt? Komische Bezeichnungen haben die dort für meinen Traktor gehabt, einer sagte "Schlepper", manchmal klang es auch wie "Schlebbaaaaa", andere sagten "Bulldog". Naja, hauptsache, ich bekam meinen Traktor wieder, wenn die großen Kinder ausgespielt hatten. Nach dem Frühstück fuhr ich meistens auf meinem BobbyCar mit Mama zusammen in einen anderen großen Saal. Eine Stunde lang stand dann vorne jemand und erzählte uns etwas. Besonders viel habe ich davon nicht verstanden, viel schöner war es, wenn alle miteinander gesungen haben. Dann und wann kommentierte ich natürlich auch. Immer nur zuhören geht ja gar nicht, das kann Mama auch nicht. Laut und deutlich warf ich ab und zu mein neues Lieblingswort in die Runde: "Traktooooor." Oh und ab und zu hat es mich in der Windel gezwickt. In besonders ruhigen Momentan erzählte ich laut und deutlich, dass ich gerade Pipi gemacht habe: "Pipi! Kloooo." Ansonsten blätterte ich durch meine Bücher, ließ den Traktor und den Bagger fahren und kuschelte mit Mama. Richtig spannend wurde es etwas später. Alle waren in kleine Gruppen aufgeteilt, Dirigiergruppen waren das. Was das sein sollte? Keine Ahnung. Immer abwechselnd stand einer vorne, wedelte mit den Armen rum und der Rest der Gruppe spielte dazu mehr oder weniger schöne Töne. Manchmal waren es auch viel weniger schöne Töne. Aber das darf ich nicht laut sagen, sonst lässt Mama mich bestimmt nicht mehr mit ihrem silbernen Blechdings spielen. Oh, das ist so toll. Mundstück draufstecken, runternehmen, drauf, runter,... Gestritten haben wir uns nur, wenn sie wieder Krach damit machen wollte, ich aber mit dem Spielen noch nicht fertig war. Besänftigt wurde ich dann mit meinen kleinen Crackern. Mamas Kumpel, der auch so ein Blechdings spielt, sagte immer "Frolic" dazu.
In der Gruppe wurde übrigens auch gefilmt. Aber immer nur der, der gerade wie wild vorne mit den Armen rumfuchtelte. Nach einiger Zeit sahen sich alle das Video an. Ich wurde nie gefilmt! Das fand ich ziemlich schade und fuhr daher ab und zu mit meinem BobbyCar ins Bild, drehte eine Schleife und fuhr wieder zurück. Mein BobbyCar war sowieso das Highlight. Am Ende des Lehrgangs konnte ich damit eine Rampe runtersausen, und Mama musste mich wieder hochschieben. Wenn wir morgens ankamen, stand das BobbyCar aber nie dort, wo ich es abends geparkt hatte. Ich glaube ja, dass es auf dem Lehrgang ganz viele Menschen gab, die in ihrer Jugend nicht BobbyCar-fahren durften. Das mussten sie in der Woche mit meinem Auto nachholen. Naja, es blieb zum Glück heile.
Geschlafen habe ich tagsüber in einem Raum, in dem es immer ein bisschen nach Kerzen roch. Dort war eine richtig ruhige Atmosphäre. Außer mir schliefen dort auch Liederbücher, ein Kreuz und dann und wann kamen andere Leute rein, die kurz verweilten, mich aber schlafen ließen. Mama sagte dazu, es sei kein Wunder, in der Kirche schlafen wohl die meisten Leute am besten. Danach durfte ich ganz oft Kaffee kochen. In der Tagungsstätte gab es nämlich einen Automaten, der zischte und schäumte und ordentlich Krach machte. Nicht so ein langweiliges Ding mit Kapsel wie Zuhause. Knöpfchen drücken und schon kamen die tollsten Sachen zustande. Bei 80 Teilnehmern auf dem Lehrgang kam ich ganz schön ins Schwitzen. Was trinken die denn auch soviel Kaffee? Waren die etwa müde? Nachts sollen die schlafen. Mama erzählt immer, dass man hier nachts nicht soviel schläft. Stattdessen werden Schwarzwurst und Zwiebelsalat gegessen, ganz viele Flüssigkeiten getrunken (die für mich wohl noch tabu sind. Ich durfte da nie dabei sein! Unverschämtheit) und geredet, geredet, geredet. Irgendwann, wenn ich mal groß bin, dann mache ich da auch mit. Ich werde komisch mit den Händen wedeln, so ein eigenes, glitzerndes Blechding haben und nachts meinen Senf dazugeben. Ich freue mich schon!

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