Mama hat mich wieder auf einen Lehrgang mitgenommen. Anscheinend war
ich dort letztes Jahr auch schon. Ganz dunkel erinnere ich mich an das
viele glitzernde Blech, auf dem ich immer noch nicht rumtrommeln durfte.
Schade! Morgens fing alles mit einem Frühstück an. Das war mir meistens
egal, denn ich spielte am Tisch am liebsten mit meinem Traktor. Oder
las aus meinen Bilderbüchern vor. Je nachdem, ob mir gerade wieder einer
der Erwachsenen (!!!) meinen Traktor geklaut hatte oder nicht. Vor
allem die Männer waren da ganz heiß drauf. Haben die als Kind keinen
Traktor gehabt? Komische Bezeichnungen haben die dort für meinen Traktor
gehabt, einer sagte "Schlepper", manchmal klang es auch wie
"Schlebbaaaaa", andere sagten "Bulldog". Naja, hauptsache, ich bekam
meinen Traktor wieder, wenn die großen Kinder ausgespielt hatten. Nach
dem Frühstück fuhr ich meistens auf meinem BobbyCar mit Mama zusammen in
einen anderen großen Saal. Eine Stunde lang stand dann vorne jemand und
erzählte uns etwas. Besonders viel habe ich davon nicht verstanden,
viel schöner war es, wenn alle miteinander gesungen haben. Dann und wann
kommentierte ich natürlich auch. Immer nur zuhören geht ja gar nicht,
das kann Mama auch nicht. Laut und deutlich warf ich ab und zu mein
neues Lieblingswort in die Runde: "Traktooooor." Oh und ab und zu hat es
mich in der Windel gezwickt. In besonders ruhigen Momentan erzählte ich
laut und deutlich, dass ich gerade Pipi gemacht habe: "Pipi! Kloooo."
Ansonsten blätterte ich durch meine Bücher, ließ den Traktor und den
Bagger fahren und kuschelte mit Mama. Richtig spannend wurde es etwas
später. Alle waren in kleine Gruppen aufgeteilt, Dirigiergruppen waren
das. Was das sein sollte? Keine Ahnung. Immer abwechselnd stand einer
vorne, wedelte mit den Armen rum und der Rest der Gruppe spielte dazu
mehr oder weniger schöne Töne. Manchmal waren es auch viel weniger
schöne Töne. Aber das darf ich nicht laut sagen, sonst lässt Mama mich
bestimmt nicht mehr mit ihrem silbernen Blechdings spielen. Oh, das ist
so toll. Mundstück draufstecken, runternehmen, drauf, runter,...
Gestritten haben wir uns nur, wenn sie wieder Krach damit machen wollte,
ich aber mit dem Spielen noch nicht fertig war. Besänftigt wurde ich
dann mit meinen kleinen Crackern. Mamas Kumpel, der auch so ein
Blechdings spielt, sagte immer "Frolic" dazu.
In der Gruppe wurde
übrigens auch gefilmt. Aber immer nur der, der gerade wie wild vorne
mit den Armen rumfuchtelte. Nach einiger Zeit sahen sich alle das Video
an. Ich wurde nie gefilmt! Das fand ich ziemlich schade und fuhr daher
ab und zu mit meinem BobbyCar ins Bild, drehte eine Schleife und fuhr
wieder zurück. Mein BobbyCar war sowieso das Highlight. Am Ende des
Lehrgangs konnte ich damit eine Rampe runtersausen, und Mama musste mich
wieder hochschieben. Wenn wir morgens ankamen, stand das BobbyCar aber
nie dort, wo ich es abends geparkt hatte. Ich glaube ja, dass es auf dem
Lehrgang ganz viele Menschen gab, die in ihrer Jugend nicht
BobbyCar-fahren durften. Das mussten sie in der Woche mit meinem Auto
nachholen. Naja, es blieb zum Glück heile.
Geschlafen habe ich
tagsüber in einem Raum, in dem es immer ein bisschen nach Kerzen roch.
Dort war eine richtig ruhige Atmosphäre. Außer mir schliefen dort auch
Liederbücher, ein Kreuz und dann und wann kamen andere Leute rein, die
kurz verweilten, mich aber schlafen ließen. Mama sagte dazu, es sei kein
Wunder, in der Kirche schlafen wohl die meisten Leute am besten. Danach
durfte ich ganz oft Kaffee kochen. In der Tagungsstätte gab es nämlich
einen Automaten, der zischte und schäumte und ordentlich Krach machte.
Nicht so ein langweiliges Ding mit Kapsel wie Zuhause. Knöpfchen drücken
und schon kamen die tollsten Sachen zustande. Bei 80 Teilnehmern auf
dem Lehrgang kam ich ganz schön ins Schwitzen. Was trinken die denn auch
soviel Kaffee? Waren die etwa müde? Nachts sollen die schlafen. Mama
erzählt immer, dass man hier nachts nicht soviel schläft. Stattdessen
werden Schwarzwurst und Zwiebelsalat gegessen, ganz viele Flüssigkeiten
getrunken (die für mich wohl noch tabu sind. Ich durfte da nie dabei
sein! Unverschämtheit) und geredet, geredet, geredet. Irgendwann, wenn
ich mal groß bin, dann mache ich da auch mit. Ich werde komisch mit den
Händen wedeln, so ein eigenes, glitzerndes Blechding haben und nachts
meinen Senf dazugeben. Ich freue mich schon!
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