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Donnerstag, 14. April 2016

Geburtsbericht III: Friedlich und natürlich

Von einer Gastautorin
 „Ich mach einen Kaiserschnitt, beim Zahnarzt lass ich mir schließlich auch eine Betäubungsspritze geben“, war meine erste Vorstellung einer Geburt. Ich war gerade drei Monate schwanger und hatte mich noch nicht besonders mit dem Thema beschäftigt. Mir war nur klar: Ich will nicht schreiend, heulend und schreckliche Schmerzen leidend mein Kind herauspressen müssen. Alle Geburtsberichte, die ich aufgeschnappt hatte, verhießen aber genau das. Meine Schwester beispielsweise lag 36 Stunden in den Wehen, die PDA wirkte erst nicht, dann kam ihr Sohn unter Einsatz von Zange und Dammschnitt zur Welt. Na prima. Und sowas stand mir, die bereits bei der Blutspende fast umkippt und vor Schmerzen winselt, bevor. Denn dieses Kind musste ja irgendwie raus. Ich hatte Angst.
Als meine Tochter begann, sich spürbar zu bewegen, änderten sich meine Gedanken über Schwangerschaft und Geburt allmählich. Ich begann zu lesen, zu forschen und entdeckte irgendwo den beruhigenden Gedanken, dass die Natur uns nicht so falsch konstruiert haben kann, sonst gäbe es keine Menschen mehr. Ich war zunehmend verärgert über die vorgeschlagenen Voruntersuchungen, IGeL-Leistungen und die Pathologisierung der Schwangerschaft. Alles verlief prima, mir ging es gut und mein Kind gedieh prächtig. Dennoch versuchte meine Frauenärztin, mich zu sämtlichen Zusatzuntersuchungen zu überreden: „Wenn es MEIN Kind wäre, würde ich..“ begannen einige ihrer Sätze. Ich verließ mich auf mein Gefühl und nahm nichts als die Kassenleistungen in Anspruch.
Nachdem ich beim Zuckertest fast übers Ohr gehauen worden wäre (man wollte den kostenpflichtigen großen statt den kleinen Test machen, wie mit mir besprochen) beschloss ich nach einer Hebamme zu suchen, die eventuell die Vorsorgetermine übernehmen könnte. Frustrierend, denn die einzige, die noch Kapazitäten hatte, wollte mich nur behandeln, wenn ich einen Geburtsvorbereitungskurs mitmache. Darauf hatte ich aber keine Lust. Ich bin kein Kurstyp, hatte medizinisches Hintergrundwissen (Grundstudium der Medizin, Studium später abgebrochen, aber Grundlagen waren nun mal da) und war mittlerweile allergisch gegen Ratschläge und negative Berichte – sie verunsicherten mich! Ich fand eine andere Hebamme für die Nachsorge und ging vor der Geburt zur Akupunktur zu ihr – irgendwie hatte ich dabei ein gutes Gefühl.
Ich nahm Kontakt zu der Frau eines Freundes auf, die ihr Kind zuhause bekommen hatte. Durch sie bekam ich interessante Literaturempfehlungen (Michel Odent u.a.) und noch einmal einen wunderbaren Einblick in die Physiologie der Natur. Ich erinnerte mich an die Geburten die ich bei Katzen, bei einer Stute und bei einer Kuh beobachtet hatte – daran war nichts Panisches, Schreckliches, ganz im Gegenteil. Ich wurde immer gelassener und ersetzte das negative Bild von der Geburt, das ja allgegenwärtig ist, durch ein Friedliches. Ich besitze eigentlich ein gutes Körpergefühl und bin recht sportlich – im Vorjahr habe ich meinen ersten Triathlon absolviert. Das gab mir zusätzlich Selbstvertrauen.
Dann machte ich den Fehler, mein Kind nicht am Termin zu bekommen. Ich ging brav zur Vorsorgeuntersuchung und lag Stunden am CTG. Wenn das Kind schlief, musste ich es wecken. War es wach, musste ich warten, bis es sich beruhigte. Ich fand das sinnlos und frustrierend. Eine Einleitung kam für mich nicht infrage, zu viele Horrorgeschichten hatte ich gehört. ET+4 meinte eine Ärztin (ich war in meiner Wunschklinik, babyfreundliches KH) ohne mein Einverständnis etwas manipulieren zu müssen und versuchte plötzlich den Muttermund zu dehnen. Das tat wahnsinnig weh, ich blutete und fühlte mich…ja, wie vergewaltigt. Ich sagte ihr auch, dass das nicht abgesprochen war und ich das absolut nicht ok finde. Zuhause heulte ich den ganzen Abend. Meinem Kind ging es wunderbar (CTG, Ultraschall top) und ich ging erst wieder drei Tage später in die Klinik zur Untersuchung. Mit eingeredetem schlechtem Gewissen, klar. Vaginale Untersuchungen verbot ich den Ärzten, davon hatte ich genug.
In der Nacht zu ET+7 wachte ich gegen ein Uhr auf. Ich wusste sofort, dass das keine Übungswehen sind und mir war sofort schlecht. Ich musste heftig erbrechen, hatte Durchfall und heftige Wehen, die ich prima veratmen konnte – ohne Kurs, das kam automatisch. Ich lernte: „Ok, sieben Atemzüge und die Wehe ist vorbei“. Ich duschte, trug Wimperntusche auf – immer wieder unterbrochen von Wehen – und weckte meinen Mann. Der machte noch in Ruhe den Abwasch und packte alles zusammen und wir fuhren gegen ein Uhr in die Klinik. Dort war zum Glück nichts los, nur eine ältere Hebamme hieß uns willkommen. Ich kam prima klar mit den Wehen – wenn ich vornübergebeugt stehen durfte. CTG im Liegen kam also nicht in Frage. Sie akzeptierte das und fixierte das Gerät kurz im Stehen. Sie war sehr zurückhaltend und freundlich und ich fasste Vertrauen. Das CTG zeigte übrigens keine Wehe an, was witzig war, denn der Muttermund war bereits auf acht Zentimeter, als ich der Hebamme erlaubte, mich kurz in einer Pause zu untersuchen.
Ich konnte in die Wanne, was großartig war. Darüber hing ein Seil und ich zog mich in den Wehen immer daran hoch, dabei sang und jammerte ich ziemlich laut – das kam einfach und ich fühlte mich sicher, weil außer meinem sehr ruhigen Mann und der sehr ruhigen Hebamme im Nebenzimmer nichts störte. Das Licht war gedimmt, ich fühlte mich nicht ausgeliefert, sondern wie auf der Fahrradstrecke im Triathlon. Berg: Atmen, atmen, atmen- und das Rad fährt bergab.
Die Wehen wurden heftiger, ich spürte einen starken Druck nach unten. „Das sind fast schon Presswehen, dauert nicht mehr lang. Sie dürfen mithelfen, wenn Sie das Gefühl haben“ sagte die Hebamme, die das einfach an meinem intensiveren „Gesang“ zu hören schien. Sie sagte immer wieder, dass ich das wunderbar mache und fragte nur, ob ich was brauche – Wasser oder so. Es war nach 6 Uhr, es wurde hell und – „meine“ wunderbare Hebamme hatte Schichtende. Eine andere Hebamme kam, nett, aber viel „invasiver“. Die Wehen waren heftig und ich fühlte etwas Schleimiges zwischen meinen Beinen. Die Wehenpausen wurden plötzlich länger. Das fand ich prima, ich genoss die etwas längere Ruhephase. Die Hebamme nicht, sie meinte, sie müsse jetzt die Fruchtblase durchstechen. Ich war geistig nicht ganz anwesend und nickte nur. Ich merkte nicht, dass die Fruchtblase platzte, aber sah schwarze Babyhaare…Ich hatte den Drang in den Wehen aufzustehen: „Aber nicht übers Wasser kommen, wenn das Baby rauskommt, atmet es sonst Wasser ein“, meinte die Hebamme. Ich bin mir sicher, das verzögerte die Geburt etwas, aber schließlich kam mein Baby kam mit einer heftigen Presswehe komplett zur Welt.
Die Hebamme gab uns unsere Tochter sofort. Ich war völlig fasziniert und unfassbar glücklich. „Das mach ich nochmal“, sagte ich sofort. Ich sagte noch schnell: „Nabelschnur auspulsieren lassen“, da hatte Hebamme Nr. 2 sie schon durchtrennt, was mich etwas ärgerte. Aber ich hatte mein Baby! Leider nicht lang, denn sie sollte fix aus dem Wasser und durfte immerhin mit ihrem Papa kuscheln. Ich sollte bitte schnell die Plazenta gebären. Tatsächlich kamen Nachwehen. Die Hebamme fischte die Nabelschnur und zog. Ich schrie auf, denn das tat wahnsinnig weh. Die Plazenta kam heraus – und ich blutete heftig! Oxytocininfusion, eine genervte Ärztin, die kaum Deutsch sprach und mich extrem unsensibel nähte (kleiner Labien-Riss) – und das, obwohl ich nur mein Kind halten wollte. Ich hatte kurz Angst um mein Leben, so viel Hektik brach aus. Ich hatte einen Liter Blut verloren, dann stoppte die Blutung und alles war gut. Endlich.
Die nächsten Tage hatte ich meine Ruhe mit Mann und Kind. In der Klinik war ansonsten sehr geduldiges Personal, das einen durchaus in Ruhe ließ.
Ich habe die Geburt selbst als wunderbar erlebt. Ich hatte keinen Moment Angst (erst danach) oder Schmerzen, die ich nicht aushalten konnte. Ich brauchte keine Schmerzmittel, es ging mir gut! Eine Geburt ist nichts Furchtbares, wie Filme und negative Berichte immer wieder suggerieren. Nur das „Nachspiel“ hat mir diesen Eindruck leider etwas verdorben. Mein nächstes Baby möchte ich unbedingt zuhause bekommen – mit so wenig Unterbrechung wie möglich. 

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