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Donnerstag, 12. Mai 2016

Nachbarschaftshilfe

Die Schwangerschaftsmafia ist überall. Hat man diese überlebt, folgt die Babymafia. Was ich damit meine, sind nicht die gutgemeinten Ratschläge und vielen Tipps, auf die man verzichten kann - nein, die Babyindustrie! Sobald man schwanger ist, wird man förmlich verfolgt. Verfolgt von allen Produkten, die man als werdende Mutter unbedingt haben muss. Angefangen bei Klamotten für sich. Umstandsmode, Jeans, Shirts, Pullover. Wohl der Frau, die im Sommer schwanger ist. Abgesehen von den hohen Temperaturen, die man ertragen muss, braucht man kleidungsmäßig nicht viel. Ein paar Kleidchen, die etwas weiter sind, Flip-Flops oder weiche Mokassins, in die man auch mit dicken Füßen reinschlüpfen kann. Ein weiterer Vorteil: beim wöchentlichen Besuch beim Frauenarzt sieht das Gewicht nicht ganz so schlimm aus. Denn die netten Arzhelferinnen neigen ja dazu, die sich eh schon unförmig vorkommende Schwangere mit ihren ganzen Klamotten auf die Waage zu stellen. Jeans sind da unpraktisch - Kleidchen wiegen hingegen viel weniger. Als gestresste Schwangere tut das der Seele gut. Aber weiter im Text. Denn verfolgt wird man von zusätzlichen Leistungen, die man bei der Frauenärztin abdrücken soll ("Denken Sie an Ihr Kind"), Vitaminpräparaten und wieder Kleidung, Kleidung, Kleidung. Dabei tut es doch auch einfach der bequeme Pulli des Ehemannes. Darin fällt auch der Bauch kaum auf. Kuschelig ist er außerdem. Nachteil: Der Göttergatte hat auf Dauer nichts mehr im Schrank und muss seinerseits auf Kleidersuche gehen.
Dann nach der Geburt, Hilfe: Wenn man stillt, braucht man Stillhütchen, Stilleinlagen, Still-BHs, Milchpumpe und natürlich und ganz wichtig Milchtütchen, um die abgepumpte Milch wieder einzufrieren. Gibt man die Flasche, weitet sich die Industrie noch weiter aus in ihren Angeboten. Fläschchennahrung, Fläschchen, Sauger, Fläschchenreinigungsschwämmchen, Maschinen, um alles zu sterilisieren, Pre-Milch, hypoallergene Milch... Was hab ich vergessen? Sicherlich die Hälfte. Aber die Industrie ist leider nicht fähig, das künstlich herzustellen, das man wirklich benötigt. Sicher, es gibt so schicke Tübchen und Cremes, um die Augenringe nach durchwachten Nächten mit dem zahnenden Nachwuchs zu überschminken. Unbezahlbar ist hingegen die eigene Mutter beispielsweise. Sie hat lustige Geschichten aus der Kindheit der Muddi auf Lager, spricht Mut zu und sie schunkelt das Baby und die gestresste Jungmutter nutzt die Chance, ALLEINE und ENTSPANNT zu duschen. Soll heißen: Richtig duschen, nicht mit einem brüllenden Baby vor der Dusche. Mit ganz viel Zeit, sich einzuseifen, abzuduschen und nach dem Trockenrubbeln vielleicht Creme zu benutzen und sogar die Haare kämmen zu können. Und nicht klatschnass in Schlüppi und Jeans springen zu müssen, weil der Nachwuchs vielleicht doch gleich wieder auf den Arm will. Vom eigenen Vater gibt es zur Frühstückszeit humorvolle Zeitungsartikel, die den Start in den Tag erleichtern. Das ist schließlich was anderes als die Tipps der nervenden Babyapp.  Wertvoll sind auch Freundinnen, die sich freuen, das Baby der besten Freundin auf dem Arm zu halten - während diese in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken kann - und nicht krakengleich gleichzeitig dafür sorgen muss, dass das Baby nicht aus Versehen die Kaffeetasse vom Tisch fegt (Anfängerfehler: Denn man lernt ganz schnell, alles außer Reichweite zu stellen. Ein 75 Zentimeter großes Baby hat nämlich die Reichweite eines Elefanten im Prozellanladen). Eine wunderbare Erfindung sind auch Freundinnen, die ebenfalls mindestens ein Kind haben. Im besten Fall ist dieses gleich alt und man sich sich über schlaflose Nächte, Schübe, Phasen, Zahnen und die wunderbaren ersten Worte unterhalten: Dadada und brabbel. Gemeinsame Freude ist doch schön. Freundinnen mit mehr als einem Kind strahlen zudem eine unnachahmliche Ruhe aus. Sie wissen schon, wie es ist, überall Banane, Hirsekringel und Milchflecken zu haben. Nur deswegen umziehen? Lohnt sich nicht, grob abkärchern und der Tag geht weiter. Diese Frauen sind wie ein Fels in der Brandung, sie können gleichzeitig stillen, putzen, bei den Hausaufgaben helfen und etwas essbares auf den Tisch bringen. Egal, ob es nur Nudeln mit Soße sind, es gibt WAS ZU ESSEN! Und zwar etwas warmes! Ihnen ist es egal, ob der Babybesuch alles vollkleckert, denn sie nehmen in aller Seelenruhe abends den großen Besen. Klebrige Finger? Sie lachen nur drüber. Wachsmalstifte an der Wand? Früh übt sich, was ein Monet werden will. Gold wert sind die Omas, Großtanten und alles in der Richtung, was noch stricken gelernt hat. Denn diese zauberhaften kleinen Söckchen und Mützchen, selbstgemacht und mit ganz viel Liebe eingepackt und verschenkt, gehören zu jedem Baby. Als grobmotorische Mutter, die mit einer Strickliesel schon überfordert ist, sind diese Gaben ein Geschenk des Himmels. Denn jeder fragt: "Ach, wer hat denn das gestrickt?" und ist ganz verzaubert. Glücklich schätzen können sich auch die Jungeltern, die Geschwister haben. Diese schunkeln, laden zum Essen ein (mehr als nur Nudeln mit Soße) und sind begeisterte Babysitter. Ganz egal, ob da schon andere Kinder rumhüpfen oder man einfach nur am Neffen übt. Lohnenswert: freundliche Nachbarn, die sich nicht hinter Mülltonnen verstecken. Stattdessen kommen sie zum grillen, Babyschunkeln und plaudern aus dem eigenen Nähkästchen. Last but noch least der Ehemann und Papa: der stürzt sich nämlich nach einem langen Arbeistag voller Freude auf den Nachwuchs, spielt mit ihm und ist nur dann genervt, wenn der Sprössling an der teuren Heimkinoanlage herumspielen möchte. Alles unbezahlbar - die Kreditkarte nimmt man dann für Pampers und Stillhütchen.

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